
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX ein strukturierter Prozess, der Beschäftigten nach längerer Krankheit die Rückkehr in den Arbeitsalltag erleichtern soll. Neben dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten sind dabei weitere Akteure einzubinden – insbesondere die Schwerbehindertenvertretung (SBV), der Betriebsarzt und gegebenenfalls der Betriebsrat. Für alle Beteiligten gilt: Datenschutz und Vertraulichkeit sind zentrale Voraussetzungen für ein wirksames und rechtssicheres Verfahren.
Schwerbehindertenvertretung (SBV)
In Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten Menschen (inklusive leitender Angestellter) ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Gewählt werden eine Vertrauensperson und mindestens ein stellvertretendes Mitglied (§ 177 Abs. 1 SGB IX).
Ihre Aufgaben im Kontext des betrieblichen Eingliederungsmanagement sind in den §§ 167 Abs. 2 und 178 SGB IX geregelt:
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Anhörungspflicht: Vor jeder Entscheidung, die schwerbehinderte Beschäftigte betrifft, ist die Schwerbehindertenvertretung anzuhören.
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Wachsamkeitspflicht: Sie wacht über die Einhaltung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).
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Mitwirkungsrecht: Nach § 166 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung ein Mitwirkungsrecht bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements.
Im Rahmen von Anhörungen ist auch hier, analog Betriebsrat, eine Frist von einer Woche zugrunde gelegt (§ 102 Abs. 2 BetrVG; BAG, Urteil v. 13.12.2018 – 2 AZR 378/18). Wichtig ist: Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung dient nicht nur der Mitbestimmung, sondern auch dem Schutz von Betroffenenrechten – gerade mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht und den Datenschutz.
Integrationamt: Besondere Rolle bei Kündigungen
Kommt es trotz betrieblichen Eingliederungsmanagement zu einer Kündigung, hat das Integrationsamt eine hervorgehobene Rolle. Gemäß § 168 SGB IX bedarf es für eine Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten seiner Zustimmung. Damit wird ein zusätzlicher Schutzmechanismus etabliert, der den Arbeitgeber zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.
Betriebsrat
Der Betriebsrat ist ebenfalls in das betriebliche Eingliederungsmanagement eingebunden. Seine Beteiligungsrechte ergeben sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und ergänzen die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung. Beide Gremien tragen dazu bei, das Verfahren transparent und fair zu gestalten.
Datenschutzrechtlich bedeutet dies: Weitergaben von Informationen sind auf das notwendige Minimum zu beschränken. Personenbezogene und Gesundheitsdaten dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet werden. Diese Pflicht können Arbeitgeber nicht an den Betriebsrat oder die Schwerbehindertenvertretung „delegieren“.
Betriebsarzt
Der Betriebsarzt wird gemäß § 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nur dann hinzugezogen, wenn es im Einzelfall erforderlich ist. Seine Aufgaben sind vielfältig (§ 3 ASiG):
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Beratung des Arbeitgebers beim Gesundheitsschutz,
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Unterstützung bei Arbeitsplatzwechseln,
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Eingliederung und Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1f ASiG).
Von besonderer Bedeutung ist dabei die ärztliche Schweigepflicht (§ 8 Abs. 1 ASiG). Untersuchungsergebnisse dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person an den Arbeitgeber weitergegeben werden. Mit Zustimmung der betroffenen Person kann der Betriebsarzt auch den Kontakt zu Rehabilitationsträgern oder behandelnden Ärzten herstellen.
Damit übernimmt der Betriebsarzt oft die Rolle eines „Lotsen“ zwischen medizinischer Rehabilitation und betrieblichem Alltag. Medizinische Daten, Gutachten oder Diagnosen gehören nicht in die BEM-Akte und schon gar nicht in die Personalakte. Sie verbleiben ausschließlich beim Betriebsarzt.
Datenschutz und Rolle des Datenschutzbeauftragten
Im gesamten BEM-Prozess werden hochsensible Daten verarbeitet – insbesondere Gesundheitsdaten gemäß Art. 9 DSGVO verarbeitet. Der Datenschutzbeauftragte (DSB) spielt deshalb eine entscheidende Rolle:
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Er prüft, ob Einladungen, Informationsschreiben und Einwilligungen datenschutzkonform gestaltet sind.
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Er achtet darauf, dass nur die erforderlichen Daten erhoben und verarbeitet werden (Datenminimierung).
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Zudem sensibilisiert er alle Beteiligten (Arbeitgeber, SBV, Betriebsrat, Betriebsarzt) für die Grenzen zulässiger Datenweitergabe.
So wird sichergestellt, dass das BEM nicht nur sozialrechtlich wirksam, sondern auch datenschutzrechtlich wirksam ist.
Fazit
Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein rechtlich regulierter Prozess mit vielen Beteiligten: Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Betriebsarzt, Inklusionsamt – und nicht zuletzt der Datenschutzbeauftragte. Wer das Verfahren ernst nimmt und die datenschutzrechtlichen Spielregeln beachtet, schafft Vertrauen, stärkt die Gesundheit der Beschäftigten und reduziert rechtliche Risiken für das Unternehmen.
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(Autorin: Regina Mühlich, Datenschutzexpertin und zert. BEM-Fachkraft)