
Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Berufung einer Arbeitnehmerin zurückgewiesen, die sich gegen eine interne Weisung ihres Arbeitgebers zur Kommunikation mit ihrem Rechtsbeistand gewandt hatte.
Zum Hintergrund des Falls
Die Verfügungsklägerin war langjährig bei einem Unternehmen aus dem Finanzsektor beschäftigt. In dieser Funktion hatte sie u. a. mit ESG-Themen (Environment, Social, Governance) zu tun und übermittelte in dieser Rolle Hinweise an verschiedene Aufsichtsbehörden (u. a. BaFin, SEC, Staatsanwaltschaft Frankfurt). Sie wurde dabei wiederholt von einem externen Rechtsanwalt unterstützt.
Am 25. Februar 2025 erhielt sie von ihrem Vorgesetzten eine E-Mail mit der Weisung, fachliche Themen ihres Arbeitsbereichs nicht mit externen Dritten, insbesondere nicht mit ihrem Rechtsanwalt, zu besprechen. Die Verfügungsklägerin sah hierin eine unzulässige Einschränkung ihrer Tätigkeit als Hinweisgeberin und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen diese Maßnahme.
Kernaussagen des Gerichts
- Die ursprüngliche Weisung vom 25. Februar 2025 war nach Einschätzung des Gerichts zunächst zu weit gefasst. Das betraf insbesondere den Ausschluss der externen anwaltlichen Beratung im Kontext behördlicher Verfahren.
- Im Verfahren erklärte die Verfügungsbeklagte jedoch, dass die Weisung nicht so verstanden werden solle, dass sie die Kooperation der Verfügungsklägerin mit Behörden oder die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung verbiete. Diese Klarstellung erfolgte im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht.
- Das Hessische LAG bewertete diese Erklärung als wirksame Korrektur der ursprünglichen Weisung. Eine Wiederholungsgefahr sei dadurch entfallen. Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass es keiner strafbewehrten Unterlassungserklärungbedarf, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen, da im Arbeitsverhältnis eine formlose Rücknahme oder Klarstellung ausreiche.
- Weitere Unterlassungsansprüche (z. B. im Hinblick auf mediale Darstellungen oder Aufgabenzuweisungen) wurden mangels konkreter Anhaltspunkte ebenfalls abgelehnt. Die Verfügungsklägerin habe keine ausreichenden Tatsachen für eine aktuelle oder drohende Benachteiligung vorgetragen.
Bewertung
Das Gericht erkennt an, dass unter bestimmten Umständen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 36 Abs. 1 HinSchG (Hinweisgeberschutzgesetz) bestehen kann. Dies insbesondere bei Maßnahmen, die geeignet sind, hinweisgebende Beschäftigte in ihrer Tätigkeit zu behindern oder zu benachteiligen. Eine solche Repressalie kann auch eine Beschränkung des Austauschs mit einem Rechtsanwalt darstellen, sofern dieser für die rechtliche Beratung im Rahmen von Meldungen erforderlich ist.
Im entschiedenen Fall fehlte es jedoch an einer fortbestehenden Rechtsverletzung, da die beanstandete Weisung durch den Arbeitgeber zurückgenommen bzw. rechtlich zulässig konkretisiert wurde. Der Antrag auf einstweilige Verfügung wurde daher sowohl in erster als auch in zweiter Instanz abgewiesen.
Fazit
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Maßnahmen im Zusammenhang mit Hinweisgebermeldungen – insbesondere arbeitsrechtliche Weisungen – sorgfältig abgewogen werden müssen. Zwar ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers (Beschäftigungsgeber) weiterhin wirksam. Es darf jedoch nicht zu einer unzulässigen Einschränkung gesetzlich geschützter Hinweisgeberrechte führen.
Handlungsempfehlung
Unternehmen sollten sicherstellen, dass arbeitsrechtliche Maßnahmen und Weisungen im Zusammenhang mit Hinweisgebermeldungen sorgfältig rechtlich geprüft werden – insbesondere mit Blick auf mögliche Repressalien im Sinne des HinSchG. Selbst gut gemeinte interne Kommunikationsbeschränkungen gegenüber Rechtsbeiständen oder Aufsichtsbehörden können unzulässig sein.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Kammer, AZ 10 GLa 337/25, Entscheidungsdatum: 30.05.2025: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000910


