Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen, beispielsweise Depressionen, Angststörungen oder Erschöpfungszustände, nehmen messbar zu. Für Arbeitgeber bedeutet das mehr Ausfälle, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und heikle Rechtsfragen: von der Arbeitsunfähigkeit (AU) über das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) bis hin zur (selten gerechtfertigten) krankheitsbedingten Kündigung.
Arbeitsunfähigkeit: Was Arbeitgeber wissen und was sie nicht wissen dürfen
Diagnosen sind und bleiben Privatsache. Arbeitgeber dürfen weder nach der konkreten Krankheit fragen, noch dürfen sie Rückschlüsse erzwingen. Zulässig ist die Forderung nach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – gesetzlich spätestens am vierten Kalendertag, vertraglich auch früher (bis hin zum ersten Tag). Entscheidend ist, dass Prozesse klar geregelt und transparent kommuniziert sind.
Ein BEM anzubieten ist Pflicht und Chance zugleich.
Wenn eine Person innerhalb von zwölf Monaten die Schwelle von mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit überschreitet (am Stück oder wiederholt), muss ihr zwingend ein BEM angeboten werden (§ 167 Abs. 2 SGB IX).
Ziel ist es, gemeinsam Wege zu finden, wie die Arbeitsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden kann, beispielsweise durch Anpassung von Aufgaben, Arbeitszeit oder Arbeitsort oder durch Unterstützung durch interne oder externe Stellen.
Gerade bei psychischen Belastungen ist das BEM kein „Formularakt“, sondern das zentrale Instrument, um Ausfälle zu reduzieren, Beschäftigte zu halten und rechtssicher zu handeln.
Eine krankheitsbedingte Kündigung sollte nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Eine Kündigung kommt erst in Betracht, wenn drei Hürden genommen wurden:
- Es liegt eine negative Gesundheitsprognose vor, das heißt, es ist zu erwarten, dass die Ausfälle fortdauern.
- Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung: Die Fehlzeiten stören Abläufe oder verursachen unzumutbare Belastungen.
- Interessenabwägung / Ultima Ratio: Mildere Mittel (Versetzung, Anpassungen, BEM) sind ausgeschöpft und erfolglos.
Bei psychischen Erkrankungen legen Gerichte eine besonders sorgfältige Abwägung zugrunde, da die Verläufe unterschiedlich sind und oft behandelbar. Ohne ein ernsthaftes und strukturiertes BEM steigt das Risiko, dass eine Kündigung scheitert.
Datenschutz im BEM ist ein unverzichtbarer Compliance-Baustein.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist freiwillig und datenschutzsensibel. Erforderlich sind daher unter anderem:
- transparente Information über Zwecke, Inhalte, Zuständigkeiten und Datenflüsse,
- strikte Zweckbindung und Datenminimierung,
- dokumentierte Einwilligung zur Verarbeitung BEM-bezogener (Gesundheits-)Daten,
- Trennung der BEM-Unterlagen von der Personalakte,
- klare Vertraulichkeitsregeln für den teilnehmenden Personenkreis sowie
- definierte Aufbewahrungs- und Löschfristen.
Fehler an dieser Stelle können das gesamte Verfahren angreifbar machen.
Fazit und Handlungsempfehlungen
- Frühzeitig, respektvoll und strukturiert handeln: Klare AU-Prozesse, niedrig-schwellige Gesprächsangebote und ein gelebtes BEM sind der beste Weg, um Unsicherheit zu vermeiden.
- BEM professionell aufsetzen: Dies umfasst standardisierte Einladungs- und Informationsschreiben, einen festgelegten Teilnehmerkreis, einen dokumentierten Prozess, eine belastbare Maßnahmenplanung und Nachverfolgung.
- Ein Datenschutzkonzept muss verankert werden, um die Informationspflichten zu erfüllen, Einwilligungen sauber einzuholen, Daten strikt zu trennen und Löschfristen einzuhalten.
- Kündigung sorgfältig prüfen: Nur nach negativer Prognose, erheblichen Beeinträchtigungen und einem ergebnisoffenen BEM. Schöpfen Sie immer zuerst die mildesten Mittel aus.
So verbinden Sie Fürsorge, Rechtssicherheit und Datenschutz. Gleichzeitig stärken Sie die Bindung, Gesundheit und Leistungsfähigkeit Ihrer Belegschaft.
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Unsere Leistungen: https://www.adorgasolutions.de/datenschutz/compliance/betriebliches-eingliederungsmanagement/
(Autorin: Regina Mühlich, Datenschutzexpertin und zert. BEM-Fachkraft)