Angemessenheitsbeschlüsse stellen fest, dass personenbezogene Daten in einem bestimmten Drittland einen mit dem Europäischen Datenschutzrecht vergleichbaren adäquaten Schutz genießen.
Art. 45 DS-GVO enthält die Kriterien, Bedingungen und Verfahren für den Erlass eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission in Bezug auf das datenschutzrechtliche Schutzniveau eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.1 Solche Angemessenheitsbeschlüsse setzen die in Art. 8 Abs. 1 GrCh ausdrücklich vorgesehene Pflicht zum Schutz personenbezogener Daten um. Sie sollen den Fortbestand des hohen Niveaus dieses Schutzes im Fall der Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland gewährleisten.
Gleichzeitig dienen Angemessenheitsbeschlüsse auch der Sicherstellung einer harmonisierten Herangehensweise der Union im Verhältnis zu Drittstaaten. Sie werden von Drittstaaten zunehmend als Möglichkeit wahrgenommen, sich dem Rest der Welt aufgrund eines „EU-kompatiblen“ Datenschutzstandards als attraktiven digitalen Wirtschaftsstandort zu empfehlen.2
Die Europäische Kommission
Die Europäische Kommission kann gemäß Art. 45 Abs. 3 DS-GVO sogenannte Angemessenheitsbeschlüsse fassen. Sie stellt dabei fest, dass personenbezogene Daten in einem bestimmten Drittland einen mit dem Europäischen Datenschutzrecht vergleichbaren adäquaten Schutz genießen. Hat die Europäische Kommission einen entsprechenden Angemessenheitsbeschluss gefasst, so dürfen personenbezogene Daten, sofern die sonstigen Bestimmungen der DS-GVO eingehalten werden, ohne weitere Genehmigung an das Drittland übermittelt werden. Datenübermittlungen auf der Grundlage eines Angemessenheitsbeschlusses sind folglich privilegiert: sie werden solchen innerhalb der EU gleichgestellt.3
Bisher ergangene Angemessenheitsbeschlüsse
Art. 45 Abs. 9 DS-GVO hält ausdrücklich fest, dass sämtliche vor Wirksamwerden der Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 25 Abs. 6 der DSRL erlassenen Entscheidungen (sofern diese noch wirksam sind) bis zu einer abändernden oder aufhebenden Entscheidung der Kommission wirksam bleiben.4
Es existieren folgende Angemessenheitsbeschlüsse für die Übermittlung personenbezogener Daten in diese Drittländer (Stand: 10.01.2022)5:
- Andorra* (ABl. EU v. 21.10.2010, Nr. L 277/27)
- Argentinien* (ABl. EU v. 05.07.2003, Nr. L 168/19)
- Australien, Sonderfall PNR-Daten (ABl. EU v. 08.08.2008, Nr. L 213/47)
- Färöer-Inseln* (ABl. EU v. 09.03.2010,Nr. L 58/17)
- Guernsey* (ABl. EU v. 25.11.2003, Nr. L 308/27)
- Isle of Man* (ABl. EU v. 30.04.2004, Nr. L 151/51 sowie Berichtigung in ABl. EU v. 10.06.2004, Nr. L 208/47)
- Israel* (ABl. EU v. 01.02.2011, NR. L 27/39)
- Japan (ABl. EU v. 19.03.2019, Nr. L 76/1)
- Jersey* (ABl. EU v. 28.05.2008, Nr. L 138/21)
- Kanada* (ABl. EG v. 04.01.2000, Nr. L 2/13), Sonderfall PNR-Daten (ABl. EU v. 10.06.2004, Nr. L 208/47)
- Neuseeland* (ABl. EU v. 30.01.2013, Nr. L 28/12)
- Republik Korea (Südkorea)
- Schweiz* (ABl. EG v. 25.08.2000, Nr. L 215/1)
- Uruguay* – Eastern Republic of Uruguay (ABl. EU v. 23.08.2012, Nr. 227/11)
- Vereinigtes Königreich6
Bei den mit Sternchen * gekennzeichneten Ländern hat die Europäische Kommission die Angemessenheitsbeschlüsse noch auf Grundlage von Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG („EU-Datenschutzrichtlinie“) erlassen. Sie gelten auch nach Inkrafttreten der DS-GVO zum 25.05.2018 fort. Dies solange die Europäische Kommission nicht ihre Änderung, Ersetzung oder Aufhebung beschließt (vgl. Art. 45 Abs. 9 DS-GVO). Von dieser Möglichkeit hat die Europäische Kommission bisher noch keinen Gebrauch gemacht.
Inhaltliche Reichweite
Zu beachten ist, dass sich die jeweiligen Angemessenheitsbeschlüsse in ihrer inhaltlichen Reichweite von Land zu Land unterscheiden können. So erfasst beispielsweise die Adäquanzentscheidung für Kanada nur solche Datenverarbeitungen, die dem Personal Information Protection and Electronic Documents Act (PIPEDA) unterfallen.7
Bedingungen
Sofern ein Angemessenheitsbeschluss der Kommission nach Art. 45 DS-GVO vorliegt, sind die Bedingungen des Abs. 5 in Übereinstimmung mit Art. 44 DS-GVO erfüllt.8 Ob die weiteren Bestimmungen der DS-GVO, insbesondere für die Zulässigkeit der jeweiligen Übermittlung von Daten, zu berücksichtigen sind und gegebenfalls daraus resultierende weitere Voraussetzungen vorliegen, ist unabhängig von einem Angemessenheitsbeschluss einzelfallabhängig nach den speziellen Vorschriften der DS-GVO zu bewerten. Art. 45 DS-GVO betrifft nur die Frage des angemessenen Schutzniveaus und nicht die Einhaltung der sonstigen Bestimmungen, wie Art. 44 DS-GVO für die Zulässigkeit der Datenübertragung im Übrigen verlangt.9 Eine Übermittlung von Daten in Drittländer und an andere qualifizierte Adressaten ist nach einem entsprechenden Kommissionsbeschluss nach Art. 45 Abs. 1 DS-GVO erlaubt.10
Kritierien für eine Angemessenheitsentscheidung
Laut Art. 45 Abs. 1 3. HS DS-GVO muss „…ein angemessenes Schutzniveau“ geboten werden. Als „angemessen“ i.S.d. Art. 45 DS-GVO gilt ein Datenschutzniveau nicht erst dann, wenn es mit der Unionsrechtsordnung identisch ist (vgl. allg. Art. 29-Datenschutzgruppe WP 12 – Übermittlungen in Drittländer S. 5). Um bei Datenübermittlungen in ein Drittland oder an eine internationale Organisation den Fortbestand des in Art. 7 und Art. 8 Abs. 1 GrCh garantierten Schutzes der personenbezogenen Daten sicherzustellen, ist notwendig – aber nicht ausreichend – dass das Drittland oder die internationale Organisation aufgrund seiner innerstaatlichen Rechenschaftsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen tatsächlich ein Schutzniveau gewährleistet, welches dem in der EU vorzufindenden Schutzniveau der Sache nach gleichwertig ist (ErwG 104).11
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1 Vgl. Zerdick, T., (2018), Datenschutz-Grundverordnung, S. 675, Rn. 1
2 Ebenda
3 Vgl. EU-Kommission, Working document on Adequacy Referential (wp254rev.01), 6 February 2018
4 Vgl. Schröder, C., (2020), In: Kühling/Buchner DS-GVO Art. 45 DS-GVO, Rn. 33
5 Vgl. https://datenschutz.hessen.de/datenschutz/internationales/angemessenheitsbeschlüsse (aufgerufen am 10.01.2022)
6 Durchführungsbeschluss der Kommission vom 28.06.2021
7 Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.12.2001
8 Vgl. Zerdick, T., (2018), Datenschutz-Grundverordnung, S. 1186, Rn. 3
9 Ebenda
10 Ebenda
11 Vgl. Pauly, D., (2021), in Paal/Pauly DS-GVO Art. 45, Rn. 1b