Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2114) geändert wurde, wurde geändert.
Am 01. Januar 2022 trat das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen in Kraft.
EU-Richtlinie
Das deutsche Vertragsrecht enthielt bisher keine speziellen Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte. Mit der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 1; L 305 vom 26.11.2019) harmonisierte die Europäische Kommission die wesentlichen vertragsrechtlichen Vorschriften betreffend Verbraucherverträge* über digitale Produkte europaweit, um zur Erreichung eines einheitlich hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen und eine Rechtszersplitterung in der Europäischen Union (EU) zu vermeiden.
Das wurde aber auch Zeit – Am 01. Januar 2002 traten die Umsetzungsvorschriften in Deutschland in Kraft.
Um die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen, wurde ein neuer Abschnitt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) aufgenommen: Titel 2a. Verträge über digitale Produkte. Dabei werden die Begriffe „digitale Inhalte“ und „digitale Dienstleistungen“ unter dem Begriff „Digitale Produkte“ zusammengefasst.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich wird im Untertitel 1. Verbraucherverträge über digitale Produkte mit § 327 Abs. 1 BGB definiert. Dieser besagt, dass die Vorschriften dieses Untertitels auf Verbraucherverträge anzuwenden sind, welche die Bereitstellung digitaler Produkte durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. In Satz 2 des Absatzes 1 normiert der Gesetzgeber ausdrücklich, dass der „Preis“ auch eine digitale Darstellung eines Wertes sein kann: „Preis im Sinne dieses Untertitels ist auch eine digitale Darstellung eines Werts“ (§ 327 Abs. 1 S. 2 BGB).
Verbraucherverträge
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 327q BGB ist, dass zwischen einem Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB = Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt) und einem Verbraucher (§ 13 BGB = Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.) ein Vertrag, geschlossen wurde.
Ein Vertrag iSd BGB ist ein Rechtsgeschäft, das aus inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen besteht.
Datenschutz
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist § 327q BGB von Interesse. Dieser stellt klar, dass die Ausübung von datenschutzrechtlichen Rechten von betroffenen Personen (Betroffenenrechte) und die Abgabe von datenschutzrechtlichen Erklärungen durch den Verbraucher (= Betroffener iSd DS-GVO) weder Auswirkungen auf den Bestand des Vertrages nach § 327 Abs. 3 BGB hat, noch Ersatzansprüche gegen den Verbraucher auslösen kann.
Betroffenenrechte
Kapitel III. der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) normiert die Rechte der betroffenen Personen, neben Artt. 12, 13 und 14 DS-GVO transparente Information und Informationspflicht durch den Verantwortlichen sind dies
- Auskunftsrecht (Art. 15 DS-GVO);
- Recht auf Berichtigung (Art. 16 DS-GVO);
- Recht auf Löschung (Art. 17 DS-GVO);
- Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DS-GVO);
- Mitteilungspflicht im Zusammenhang mit Berichtigung oder Löschung (Art. 19 DS-GVO);
- Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DS-GVO);
- Widerspruchsrecht (Art. 21 DS-GVO);
- Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde (Art. 77 DS-GVO).
Die Inanspruchnahme des Auskunftsrechtes oder das Recht auf Berichtigung haben keinen Einfluss auf die Durch- und Fortführung eines Verbrauchervertrages über ein digitales Produkt. Anders sieht es ggf. aus, wenn der Verbraucher als betroffene Person von seinem Recht auf Löschung oder seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht.
Die betroffene Person hat u.a. gemäß Art. 21 DS-GVO das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung […], die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DS-GVO erfolgt, Widerspruch einzulegen.
Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung bei Verbraucherverträgen ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO […] die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags […] erforderlich. Legt der Verbraucher als Vertragspartner Widerspruch in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ein, hat dies zur Folge, dass der Verantwortliche (Unternehmer iSd § 14 BGB) die personenbezogenen Daten nicht mehr verarbeiten darf, sofern er nicht zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann (vgl. Art. 21 Abs. 1 S. 2 DS-GVO).
§ 433 Abs. 2 BGB regelt hinsichtlich Kaufverträge grundsätzlich, dass sich der Käufer dem Verkäufer gegenüber verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Widerruft oder widerspricht der Verbraucher der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten („Preis ist auch eine digitale Darstellung eines Werts“) ist es dem Unternehmer uU nicht mehr zumutbar bzw. nicht mehr möglich, seinen Teil des Vertrages zu erfüllen. Sofern er diesen nicht kündigen kann, begeht dieser ggf. eine Vertragsverletzung wegen Nichterfüllung.
Vertragskündigung
Durch den Gesetzgeber wurde geregelt, welche Voraussetzungen es Bedarf und welche Rechtsfolgen bei einer Kündigung durch den Unternehmer (= Verantwortlicher iSd Art. 4 Nr. 7 iVm Nr. 18 DS-GVO) entstehen, wenn der Verbraucher durch die Ausübung seiner datenschutzrechtlichen Betroffenenrechtedie Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO) seiner personenbezogenen Daten derart einschränkt, dass dem Verantwortlichen eine Vertragsdurch- und -fortführung wirtschaftlich nicht mehr zugemutet werden kann.
§ 327q BGB, als neue Norm, stellt damit klar, widerruft der Betroffene seine Einwilligung und/oder widerspricht er der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten, bleibt zum einen das Datenschutzrecht unberührt und zum anderen kann der Verbraucher jederzeit seine Datenschutzrechte ausüben, ohne dass ihm rechtliche Nachteile entstehen und/oder er Sanktionen befürchten muss.
§ 327q Abs. 3 BGB bestimmt, dass Ersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher wegen einer durch die Ausübung von Datenschutzrechten ausgeschlossen sind. Dies umfasst Vergütungsansprüche, gesetzliche Nutzungs- und Schadensersatzansprüche, GoA[1], §§ 812 ff. BGB ein.[2]
Rechtsfolgen
§ 327q Abs. 2 BGB regelt, dass der Unternehmer unter bestimmten Umständen ein außerordentliches Kündigungsrecht hat, wenn der Verbraucher seine Datenschutzrechte in Anspruch nimmt. Grundsätzlich bleibt die Wirksamkeit des Vertrages unberührt. Betreffen der Widerruf und/oder der Widerspruch des Verbrauchers im Schwerpunkt solche personenbezogenen Daten, zu deren Bereitstellung sich der Verbraucher als „Preis“ iSd § 327 Abs. 1 BGB verpflichtet hat und das Unternehmen die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht mit einem anderen Erlaubnistatbestand (§ 6 Abs. 1 DS-GVO) rechtfertigen kann, kann der Unternehmer zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 327q As. 2 BGB berechtigt sein. Dies kann aus § 327q Abs. 2 BGB abgeleitet werden: „[…] Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“
Zusammenfassung
Die Wirksamkeit des Vertrages bleibt bei Ausübung von Betroffenenrechten iSd Datenschutzrechts und bei Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen durch den Verbraucher nach Vertragsabschluss unberührt (§ 327q Abs. 1 BGB).
Widerruft der Verbraucher eine von ihm erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung oder widerspricht er einer weiteren Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten, so kann der Unternehmer nach § 327o Abs. 2 BGB einen Vertrag, der ihm zu einer Reihe einzelner Bereitstellungen digitaler Produkte oder zur dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Dies allerdings nur, wenn ihm unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung und unter Abwägung der Interessen des Unternehmers und des Verbrauchers die Fortsetzung des Vertrages bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Gemäß § 327 Abs. 3 BGB sind Ersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher wegen einer durch die Ausübung von Datenschutzrecht oder die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen bewirkten Einschränkung der zulässigen Datenverarbeitung ausgeschlossen (zB kein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verbraucher).
Fazit
Möglich wäre, dass der Verbraucher seine Betroffenenrechte mit dem Vorsatz ausübt, eine Kündigung durch den Unternehmer zu provozieren, um so einen unliebsamen Vertrag einfach und ohne viel Aufwand beenden zu können.
An eindeutigen Kriterien unter welchen Umständen das Unternehmen das Vertragsverhältnis beenden kann, weil für ihn eine Fortführung iSd § 327q Abs. 2 BGB nicht mehr (wirtschaftlich) zumutbar ist, fehlt. Hinsichtlich der Auslegung und zur Definition von (Rahmen-)Bedingungen bedarf es daher wohl der Rechtsprechung.
Seitens Unternehmer sollte mit Unterstützung seines Datenschutzbeauftragten dokumentiert geprüft werden, unter welchen Umständen eine Fortführung für ihn nicht mehr zumutbar ist bzw. darüber nachdenken, welche Maßnahmen er ergreifen kann, um trotz Wahrnehmung der Betroffenenrechte durch den Verbraucher den Vertrag fortzuführen. Möglich wäre hier ggf. ein Abstellen auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO („berechtigtes Interesse“). Die Interessenabwägung wäre ausführlich darzulegen, d.h. warum die Interessen des Verantwortlichen gegenüber dem Betroffenen überwiegen. Über diese Abwägung ist dann im Rahmen der Informationspflichten Art. 13 DS-GVO der Verbraucher transparent bei Vertragsabschluss informiert werden.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 327q Vertragsrechtliche Folgen datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers
(1) Die Ausübung von datenschutzrechtlichen Betroffenenrechten und die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers nach Vertragsschluss lassen die Wirksamkeit des Vertrags unberührt.
(2) Widerruft der Verbraucher eine von ihm erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung oder widerspricht er einer weiteren Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten, so kann der Unternehmer einen Vertrag, der ihn zu einer Reihe einzelner Bereitstellungen digitaler Produkte oder zur dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(3) Ersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher wegen einer durch die Ausübung von Datenschutzrechten oder die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen bewirkten Einschränkung der zulässigen Datenverarbeitung sind ausgeschlossen.
Weitergehende Informationen: Buchmüller, C., Roos, P., „Die Kündigung des Unternehmers nach § 327 q Abs. 2 BGB“, ZD 1/2022 https://www.beck-shop.de/zd-zeitschrift-datenschutz/product/9002683
* Hervorhebungen (zB fett, kursiv) durch die Autorin.
[1] Die Geschäftsführung ohne Auftrag [GoA] (§§ 677 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ist ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches dadurch entsteht, dass eine Person (der Geschäftsführer) unaufgefordert im Rechts- und Interessenkreis einer anderen Person (des Geschäftsherrn) tätig wird, ohne dazu eine Verpflichtung oder Berechtigung zu haben.
[2] Vgl. Grüneberg/Grüneberg § 327q Rn. 3, (2022), BGB, 81. Auflage, Verlag C.H. Beck oHG, München.